Die Auricher Singschnecken unter der Leitung von Susanne Kilpper begeistern am Wochenende zweimal das Publikum in der Kelter
Aurich. „Die Seefahrt nach Rio“ – manch einer der Zuschauer erinnerte sich an das Singspiel von Heinz Geese mit launigen Versen aus der Feder von James Krüss und wunderte sich überrascht, was daraus geworden ist. „Alles andere, hört Ihr nun, hat mit dem Original nix mehr zu tun. Damit müsst ihr alle leben, Susanne war’s – so ist sie eben“, brachte es Sprecher Jörg Wiedersich gleich in seiner Einleitung auf den Punkt. Gemeint war Regisseurin Susanne Kilpper, die den Klassiker für die Auricher Singschnecken adaptiert hatte: humorvoll, schelmisch und immer mit einer Handbreit Verschmitztheit unterm Kiel. Nur der rote Faden war geblieben.
„Tolle Lotte“ hieß das Schiff, mit dem sich die Auricher Singschnecken – 50 Jungs und Mädchen im Kindergarten- und Grundschulalter – auf den Weg zu ihrem Traumziel Rio aufmachten. In seemännischem Look navigierten sie melodisch ihr Boot. Ihre Reise führte sie von Aurichtal über die Insel Witschi-Watschi-Wu (ein Schelm, wer dabei an die Südsee-Paradiese Fidschi und Vanuatu dachte) und Hawaii an den Zuckerhut, wo sie schließlich vor Anker gingen. Auf dem Weg dorthin erlebten sie so einige Abenteuer. Sie entdeckten einsame Eilande, bezwangen gewaltige Orkane, mussten mit zunehmendem Heimweh kämpfen – und zu Tschaikowskys russischem Tanz das Deck schrubben.
Finessenreich setzte Susanne Kilpper das Singspiel in Szene. Mit selbstgebastelten Windeffekten aus Pappscheiben, die dem Publikum fast täuschend echt den tobenden Sturm auf hoher See suggerierten und Regenmachern, die den Niederschlag live auf die Bühne brachten, verliehen die Kinder dem Stück seinen besonderen Charakter. Wogende Wellen? Kein Problem, wenn eine zündende Idee vorhanden ist: Die kleinen Akteure schlüpften unter ein blaues Tuch und bewegten sich wie der Ozean. Erleben mit allen Sinnen – das Motto der Regisseurin manifestierte sich auf unterschiedlichste Weise. Hoch konzentriert und dabei herrlich unbefangen gingen ihre Eleven zu Werke, manche stellten sich dichterisch vor: „Als Fahne dient der alte Teppich – ich bin Matrose Moritz Hettich.“ Fast greifbar war die unverkrampfte Freude der Kinder am Schauspielern zu spüren, leidenschaftlich-unerschrocken waren sie bei der Sache. Susanne Kilpper bietet ihnen jedes Jahr aufs Neue ein Forum, in dem sie ihr Talent zeigen können. „Mitunter werden verborgene Seiten hervorgelockt“, berichtete die Regisseurin, Choreografin und Drehbuchschreiberin in Personalunion. Musikerziehung ist für sie eine Kombination aus Schauspiel, Musik und Bewegung – ein Spiel, das ein freies Tun ermöglicht. „Sie haben gegenüber der schon sehr gelungenen Generalprobe nochmal eine Schippe drauf gelegt“, verriet Kilpper schmunzelnd am Rande der Veranstaltung.
Die Band um Thorsten Waibel (Klavier), Nils Mahler (Cachon), Hannah Franke (Oboe), Miriam Engelhardt (Querflöte) und Sigfried Wichtner an der Gitarre fanden stets den guten Ton für die richtige musikalische Untermalung. Pietro Runchina sorgte für den stimmigen Klang und die passenden Lichteffekte.
Auch das Publikum wurde Teil der Aufführung. Für das trauererfüllte Winken beim Ablegen der „Tollen Lotte“ verteilten die Kinder Papiertaschentücher. Bei der Schiffstaufe benetzte die kleine Namensgeberin mit Unterstützung von Susanne Kilpper die Zuschauer in den ersten Reihen mit feinem Regen aus der Wassersprühflasche. Am Ende wurden nochmals die Tücher gezückt, als „Lottchen“ den Heimathafen erreichte. Das Heimweh war verschwunden, denn trotz aller Abenteuer und Erlebnisse kamen die jungen Seeleute zu dem Schluss: Am schönsten ist’s zu Haus im Aurichtal. Kein Wunder, denn genau dort, in der Kelter, genossen sie ihren Erfolg – gefeiert vom begeisterten Publikum.
Für den perfekten Ausklang sorgten die Eltern mit Kaffee und einer Auswahl selbstgebackener Kuchen, die den Gaumen schon beim Anblick in vorfreudige Genuss-Stimmung versetzte.
Autor: Christian Euler